Roadtrip Belgien Ostern 2025 – Teil 3
Hier nun der dritte und letzte Teil unseres diesjährigen Belgienroadtrips. Von der Küste geht es wieder ins Inland und zum Abschluss nochmal in die Wallonie.
22.04.2025 – Middelkerke, Oostende
Direkt nebenan befindet sich das Raversyde Atlantikwall Museum, in dem man die Geschichte der berüchtigten deutschen Verteidigungslinie „Atlantikwall“ erleben kann. Das Ganze ist in zwei Teile aufgeteilt, einmal die einzige noch erhaltene Deutsche Küstenbatterie aus dem ersten Weltkrieg (Batterie Aachen) und die Batterie Salzwedel aus dem zweiten Weltkrieg. Hier befinden sich mehr als 60 Bunker, Beobachtungsposten und Geschützstellungen. In der Batterie Salzwedel sind auch noch viele unterirdische Gänge erhalten, von dennen man einige auch begehen kann. Ein sehr sehenswertes Museum, man sollte aber gut zu Fuß sein und mindestens 2 Stunden Zeit mitbringen. Für 10,00 € Eintritt kann man hier viel Geschichte sehen und erleben.
Da ich das Museum alleine besuche, geht es nachmittags dann noch gemeinsam mit dem Fahrrad nach Oostende. Hier empfiehlt es sich direkt am Meer auf der Promenade entlangzufahren, was zumindest jetzt in der Nebensaison überaupt kein Problem ist. Mit ein bisschen Rücksichtnahme zwischen Zweibeiner und Zweirädern funktioniert das hervorragend und ist viel angenehmer zu fahren wie über die Hauptstraße. Unser Ziel ist „The christal ship„, Streetart in Oostende. Auf mehreren Routen kann man sich die unterschiedlichen Wandgemälde in Oostende anschauen. Insgesamt gibt es 5 Touren zwischen 5,4 und 42 km Länge. Wir wählen für heute die 7,3 km lange „Belle Epoque und Westerkwartier“ mit 37 Gemälden aus. Eine interessante und empfehlenswerte Runde.
Abends holen wir dann das erste Mal auf unserer Tour die Stühle raus und genießen noch die Sonne.
23.04.2025 – Middelkerke, Gavere
Es wurde uns gestern schon angekündigt, heute in Middelkerke Regen und noch mehr Regen. Aber es ist ja eh geplant heute weiterzuziehen. Eigentlich mögen wir das Meer, aber in Belgien gefällt uns das Landesinnere deutlich besser. Die haben sich das hier leider selbst ein bisschen kaputtgemacht mit den hunderten Bettenburgen direkt an der Promenade entlang. Schön ist wirklich anders.
Morgen wollen wir nach Gent, was mit dem Wohnmobil aber gar nicht so einfach ist. Die Innenstadt ist Umweltzone und Park- und Stellmöglichkeiten gibt es auch nicht so viele. Der einzige Campingplatz der relativ zentrumsnah liegt, würde für uns pro Nacht über 50 Euro kosten und hat auch nicht die besten Bewertungen. Da Busfahren aufgrund des Scooters, den Moni benötigt, auch eher nicht in Frage kommt, habe ich mir als nächsten Stellplatz Gavere ausgesucht. Hier können 8 Mobile kostenfrei stehen und im Nachbarort in 1,5 km Entfernung gibt es einen Bahnhof mit Zugverbindung nach Gent. Da der Regen glücklicherweise verpennt und nicht hinter uns herkommt, ist es in Gavere sogar trocken und wir können heute zumindest noch einen kleinen Stadtbummel durch das Örtchen machen.
24.04.2025 – Gent
Gent, was soll ich dazu jetzt schreiben? Zumindest kann ich vorab schon mal sagen, uns persönlich hat Gent jetzt nicht so gepackt. Ja, die Innenstadt ist wunderschön mit ihrer einzigartigen Architektur und den Kanälen, aber man merkt auch Gent ist Großstadt, immerhin mit über 260.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Belgiens. Eigentlich sagt man, in Gent geht es beschaulicher zu wie in Brügge, aber für uns hat sich das genau anders herum angefühlt. Ja, Brügge mit nur knapp 118.000 Einwohnern ist proppevoll und in der großzügigeren Altstadt von Gent verteilt sich das ein bisschen besser, aber irgendwie geht es hier trotzdem hektischer zu und nicht so beschaulich wie in Brügge. Woran das liegt oder ob das nur eine Momentaufnahme ist? – Keine Ahnung. Aber nicht falsch verstehen, sehenswert ist Gent allemal, aber müssten wir uns zwischen Gent und Brügge entscheiden, definitiv Brügge. Vielleicht liegt es auch ein bisschen an der Stadt um die Altstadt herum. Wir sind ja am Bahnhof Gent-Sint-Pieters angekommen, der für sich alleine schon sehr sehenswert ist aufgrund der Wand- und Deckengemälde in der Bahnhofsvorhalle. Von hier aus braucht man knapp 20 Minuten zu Fuß zur Altstadt. Auf dem Weg dorthin merkt man auch das man sich hier in einer Großstadt befindet.
Am bekanntesten in Gent ist wahrscheinlich die riesige mittelalterliche Wasserburg Gravensteen, die sich mitten in der Altstadt befindet. Das ist schon aussergewöhnlich und was ganz besonderes. Auch die Graslei am mittelalterlichen Hafen mit ihren wundschönen alten Zunfthäusern ist sehr sehenswert und natürlich auch der obligatorische Belfried und die imposanten Kirchen. Wir waren doch in einigen Kirchen drin auf diesem Roadtrip, aber die St.-Bavo-Kathedrale in Gent hat mir am besten gefallen.
Funfact zur Burg Graevensteen, die Burg, die nie von einer Armee eingenommen werden konnte, wurde tatsächlich nur ein einziges Mal erobert – und zwar von einer Gruppe Studenten. Am 16. November 1949 protestierten diese Studenten gegen eine Erhöhung des Bierpreises (von 3 auf 4 Franken pro Glas). Sie schafften es, die einzige anwesende Wache einzusperren und verbarrikadierten das Tor mit einem Obstkarren. Von den Türmen hängten sie Transparente mit ihrer Forderung nach einer Bierpreissenkung auf. Die Besetzung blieb zunächst ruhig, änderte sich aber, als vorbeifahrende Polizisten mit faulen Früchten beworfen wurden. Auch weitere herbeigerufene Einsatzkräfte wurden auf diese Weise empfangen. Nach wenigen Stunden endete die Aktion, als Feuerwehrleute heimlich über eine Leiter in die Burg gelangten und die Besetzer festnahmen. Heute erinnern Studenten in Gent jedes Jahr an dieses Ereignis, indem sie zum Schloss ziehen, dort feiern und reichlich Bier trinken.
25.04.2025 – Leuven und Sprimont
Der heutige Tag läuft anders als gedacht, da unser Übernachtungsspot nicht aufgeht, aber der Reihe nach. Heute soll es wieder in die Wallonie gehen mit einem Zwischenstopp in Leuven. Leuven liegt östlich von Brüssel und ist unter anderem bekannt für ihre Brauereien. Anheuser-Busch InBev, die weltgrößte Brauereigruppe hat hier ihren Unternehmenssitz. Außerdem befindet sich hier die größte Universität Belgiens. Unser angepeilter Parkplatz geht nicht auf, da die Parklücken hier zu eng und zu kurz sind. Glücklicherweise ergibt sich noch eine Möglichkeit direkt an der Straße. Aufgrund der Beschilderung ist uns nicht ganz klar, ob wir hier wirklich stehen können, da das andere aber auch machen, gehen wir das Risiko ein. Und das ist gut so. Die Innenstadt ist wunderschön. Besonders imposant das gotische Rathaus, erbaut zwischen 1439 und 1468. Es gilt völlig zurecht als eines der schönsten Bauwerke der Spätgotik in Europa und sieht auf den ersten Blick eher wie eine Kirche aus. Vom Gefühl her das schönste Gebäude was wir jemals gesehen haben.
Noch zwei Funfacts zu Leuven:
In Leuven gibt es seit 1890 die einzigartige Tradition des Jaartallenleven: Männer eines Jahrgangs schließen sich im Alter von 39 Jahren zu einer Gruppe zusammen. Sie pflegen soziale sowie gesellschaftliche Aktivitäten, Rituale und Humor, bis sie 50 werden. Anschließend werden sie zu Freundeskreisen und bleiben bis zum Lebensende zusammen. Im Jahr 2011 wurde dieses Brauchtum von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt.
Ein Erasmus-Semester im eigenen Land verbringen? In Belgien geht das, aufgrund der Spaltung der Universität. Im verlinkten Zeitungsbeitrag erfahrt ihr Näheres.
Jetzt aber weiter im Text. Unseren ersten Plan in Tienen zu übernachten verwerfen wir. Zum einen ist es erst früher Nachmittag und zum anderen scheint man hier nicht mehr offiziell stehen zu dürfen und da wir hier noch in Flandern sind, ist auch freistehen verboten. Unser neuer Plan führt und zurück in die Wallonie nach Esneux. Leider ist hier aber alles belegt. Freistehen am Straßenrand, hier ja erlaubt, da Wallonie, verwerfen wir auch, da der Spot nicht so sexy ist. So landen wir schließlich auf einem kleinen einfachen Campingplatz mitten im Wald bei Sprimont. Die Wohnmobilstellplätze dort sind zwar schon alle belegt, wir dürfen aber auf dem Parkplatz übernachten.
26.04.2025 – Remouchamps, Tour de France, nix Spa, Blegny Mine
Was für ein schönes sonniges Wetter heute. Leider unser letzter Tag in Belgien, aber wenigstens werden wir nochmal vom Wetter verwöhnt. Die geplante Höhle in Dinant haben wir ja doch ausgelassen, heute haben wir aber Bock auf Höhle und so geht es nach Remouchamps. Die Anreise und auch spätere Abreise gestaltet sich eher schwierig, da hier heute in der Gegend ein großes Amateurradrennen auf öffentlichen, nicht abgesperrten Straßen stattfindet. So gibt es heute Tour de France oder eher Tour de Belgie und wir spielen Begleitfahrzeug inmitten der vielen Rennradfahrer.
Die Grotte von Remouchamps bietet ein ganz besonderes Highlight. Sie ist eine der bekanntesten Schauhöhlen Belgiens und mit 110 m die vierttiefste. Das Besondere ist aber der unterirdische Fluss Rubikon. Man geht erst einen guten Kilometer in die Höhle rein und anschließend geht es per Boot über den Fluss zurück. Der Bootsführer hat nur einen dicken Stock und bewegt das Boot so mit Stößen auf den Grund oder an die Felswände vorwärts. Ein ganz aussergewöhnliches Erlebnis. Manche behaupten sogar, die längst unterirdische Flussfahrt der Welt, aber definitiv die längste in Belgien.
Als nächsten fahren wir ein paar Kilometer weiter noch Esneux. Die Übernachtung hat dort gestern ja nicht geklappt, aber der Ort hat uns sehr gut gefallen. Schön Kaffeetrinken direkt am Fluss wäre schon cool. Betonung liegt aber auf wäre, es gibt nämlich schlicht kein Cafe in Esneux, zumindest haben wir keines gefunden. Was wir jetzt noch nicht wissen, auch unser nächster Plan scheitert. Wir wollen uns eigentlich noch Spa, die „Mutter aller Kurorte“ anschauen. Leider treffen wir hier auf Vollchaos, da eine der Hauptstraßen im Ort baubedingt gesperrt ist. Die Umleitung um in die Innenstadt ist mit Wohnmobil schon sehr abenteuerlich, das errinnert doch gleich an Durbuy. Nachdem wir uns dann doch bis zur Innenstadt durchgewürgt haben, scheitert unser Vorhaben an nicht vorhandenen Parkmöglichkeiten für unser rollendes Zuhause. So scheitert auch dieser Ausflung, aber so ist das halt manchmal.
Zumindest unser Übernachtungsspot geht auf. Blegny Mine ist das Ziel, ein ehemaliges Kohlebergwerk, das auch besichtigt werden kann. Hier auf dem großen Parkplatz daf man mit seinem Camper kostenfrei eine Nacht stehen. Da wir erst spätnachmittags hier ankommen, ist eine Führung leider nicht mehr möglich, aber das Aussengelände kann man sich auch so anschauen und das lohnt sich sehr. Sehr beeindruckend hier. Auf dem Gelände gibt es auch einen sehr empfehlenswerten Labcache. Auch im Umland komme ich als Cacher auf meine Kosten und unternehme noch eine kleine Cachingtour auf dem Radl.
Zur Hochzeit im Jahr 1970 förderten hier 680 Arbeiter 232,000 Tonnen Kohle. Am 31. März 1980 wurde die Mine dann geschlossen und schon im gleichen Jahr zur Besichtigung freigeben. Mittlerweile liegt die jährliche Besucherzahl zwischen 140.000 und 160.000. Seit 2012 gehört die Mit vier weiteren Kohlekraftwerken in der Wallonie zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Heimfahrt
Eigentlich stand für heute noch La Batte in Lüttich, der größte und älteste Wochenmarkt Belgiens auf dem Plan, aber nochmal auf Großstadt haben wir nicht wirklich Lust, so lassen wir diesen Punkt weiter auf unserem Plan und machen uns langsam auf die Heimreise. Zwei Wochen wunderschöne Tour mit überraschenden Entdeckungen liegen hinter uns. Wahnsinn was das doch eher kleine Land Belgien alles zu bieten hat. Wird als Reiseland defintiv unterschätzt. Sicherlich ist auch unsere zweite Belgientour nicht die letzte und wir werden in den kommenden Jahr wiederkommen.
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